Aktuelle Situation in Äthiopien
Aktuelle Situation in Äthiopien
Gewalteskalation im Norden Äthiopiens setzt sich fort
Rund ein halbes Jahr ist seit Beginn des militärischen Konflikts in der äthiopischen Region Tigray vergangen. Nach Monaten der Spannungen zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der regionalen Partei „Volksbefreiungsfront von Tigray“ (TPLF) spitzte sich der Konflikt im November letzten Jahres zu, als die Regionalregierung Tigrays Wahlen zum Regionalparlament durchführen ließ, ungeachtet der Absage aller Wahltermine durch die Zentralregierung aufgrund der fortschreitenden COVID-19-Pandemie im Land. Als Sicherheitskräfte der TPFL-Regierung militärische Machtdemonstrationen durchführten und mehrere Armeebasen in Tigray übernahmen, startete die äthiopische Zentralregierung eine militärische Operation im Norden des Landes. Auch eritreische Truppen sollen laut Zeugen mit der Zentralregierung kooperieren und in der Region im Einsatz sein.
Seitdem versinkt die Region zunehmend in einer Spirale der Gewalt. Äthiopischen Oppositionsparteien zufolge sind seit November 2020 mindestens 52.000 Menschen in Tigray gestorben, etwa 60.000 sind nach Angaben des UN-Flüchtlingswerk in den benachbarten Sudan geflohen. Opfer des Krieges ist vor allem die Zivilbevölkerung der Region – die UNO schätzt, dass 4 Millionen Menschen, zwei Drittel der Bevölkerung Tigrays, dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Unterdessen berichten Bewohner:innen der Region über Angriffe gegen Zivilisten. Überlebende berichten laut Menschenrechtsgruppen auch über Vergewaltigungen der Zivilbevölkerung durch regierungsnahe Kräfte und Paramilitärs. Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed hat am 23.03.2021 erstmal eingestanden, dass in der Konfliktregion Tigray womöglich Kriegsverbrechen geschehen.
Gleichzeitig dringen nur wenige verlässliche Informationen aus dem Gebiet nach außen. Hilfsorganisationen können Teile der Region nicht oder nur schwer erreichen, die Lage ist undurchsichtig. Die zivilen Folgen des Konfliktes sind schwer abzuschätzen. Das Land kämpft bis heute mit den Folgen einer Heuschreckenplage, die im Jahr 2019 weiträumig Ernteausfälle im Land verursachte. Auch die Folgen der Corona-Pandemie sind weiterhin spürbar und stellen Teile der Bevölkerung weiterhin vor existentielle Probleme.