im Folgenden haben wir für Euch die aktuellen Meldungen von Äthiopien sowie die Neuigkeiten von KaJo und unseren Patenkindern in Addis Abeba zusammengefasst dargestellt.
Unseren Patenkindern geht es soweit gut. Leider konnten sie nicht wie geplant Anfang November an die Schule zurückkehren. Aufgrund des militärischen Konflikts zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung in Tigray bleiben bis auf Weiteres sämtliche Schulen geschlossen. Unser Patenkind Bruke und seine Schwester Fera, ein ehemaliges Patenkind, haben ein Geschwisterchen bekommen, eine kleine Schwester. Alazars Familie wird voraussichtlich umziehen müssen, da sie sich die Miete nicht mehr leisten kann. Alazar möchte weiterhin die Future Generation Hope School besuchen und wird zukünftig mit dem öffentlichen Bus zur Schule fahren. Nach wie vor haben viele Eltern der Kinder corona-bedingt kein oder nur ein sehr geringes Einkommen. Die Corona-Hilfe, die wir ihnen dank unserer großzügigen SpenderInnen zukommen lassen konnten, hilft ihnen immer noch, sich über Wasser zu halten. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön!
Links: Fera, unser ehemaliges Patenkind hat bereits die Schulausbildung abgeschlossen. Rechts: Bruke, der Bruder von Fera.
Über die unmittelbaren Auswirkungen der Covid-19-Pandemie wird bekanntermaßen hinlänglich berichtet. Täglich wird man mit aktuellen Infektionszahlen und Hinweisen zur Ausbreitung sowie mit konkreten Darstellungen zum möglichen Verlauf der Krankheit versorgt. Was ist jedoch mit den Folgen der Folgen von Corona; gemeint sind die Auswirkungen der Lockdowns? Die Effekte auf die hiesige Wirtschaft, insbesondere auf die Gastronomie- und Hotellerie-Branche werden zwar breit diskutiert.
Wie sieht es jedoch mit den Folgen des Lockdowns in vielen afrikanischen Staaten, insbesondere in Äthiopien aus?
Mängel im Gesundheitssektor:
Unlängst ließ Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mit Blick auf Afrika verlauten: „An den Folgen der Lockdowns werden weit mehr Menschen sterben als am Virus”. Grund hierfür sind vor allem Engpässe in der medizinischen Versorgung. „Allein auf dem afrikanischen Kontinent rechnen wir dieses Jahr mit zusätzlich 400.000 Malaria-Toten und HIV-Opfern sowie einer halben Million mehr, die an Tuberkulose sterben werden“, so der Minister. [1]
Mängel im Wirtschaftssektor:
Erhebliche Mängel treten zudem in der Versorgung mit Nahrungsmitteln auf.
Händler fahren weniger häufig in ländliche Gebiete, um bspw. Obst und Gemüse zu kaufen. Dies führt dann zu einem erheblichen Anstieg der Preise für diese Lebensmittel in städtischen Bereichen. [2] Darüber hinaus kommt es teilweise sogar zu absoluten Stopps der Einfuhr „westlicher“ Produkte. Die lockdownbedingten Engpässe treten noch drastischer durch die Folgen der Heuschreckenplage auf (hierüber hatten wir bereits im letzten Newsletter berichtet).
All diese Umstände treffen viele Äthiopier zu einem Zeitpunkt, in dem sie ohnehin kein oder ein wesentlich geringeres Einkommen erhalten. Zahlreiche Bewohner aus Addis Abeba (u.a. auch Eltern, der von KaJo unterstützten Kinder) gehen einer Arbeit nach, die im Homeoffice nicht möglich ist. Doch selbst wenn dies in Einzelfällen theoretisch möglich ist, wird eine Arbeit von zuhause aus erheblich erschwert durch die, immer wieder auftretende und staatlich angeordnete Kappung des Internets.
Ganz besonders hart getroffen sind jene Personen, die im Bereich Tourismus gearbeitet haben; wie zum Beispiel unser Mittelsmann Kibret. Dieser Wirtschaftszweig ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. „Und an jedem Beschäftigten des Tourismus hängen (zum Teil bis zu) zehn Familienangehörige, die von ihm leben“, so der Professor für Humangeographie Detlef Müller-Mahn. [3]
Erschreckend ist hierbei, dass Europa „Billionen-Euro-Programme“ zur Stützung der eigenen Wirtschaft beschlossen hat, zur Unterstützung der Wirtschaft afrikanischer Staaten sind hingegen keine Hilfen vorgesehen. Bundesentwicklungsminister Müller mahnt: “Für Afrika ist kein Euro zusätzlich an Unterstützung geplant. Das wird uns einholen”. [4]
Mängel im Bildungssektor:
Besonderes Augenmerk ist auf die Kollateralschäden im schulischen Bereich zu legen. Denn von der langanhaltenden Schließung der Schulen sind die von uns unterstützten Kinder ganz erheblich betroffen.
Fernunterricht, wie er u. a. in Deutschland während der Schulschließungen praktiziert wurde, ist aufgrund fehlender Kapazitäten in Addis Abeba (mangelhafter Internetzugang, fehlende Endgeräte etc.) unmöglich.
Das - im internationalen Vergleich - ohnehin hinkende Bildungssystem erfährt hierdurch einen weiteren Rückschlag. Die langfristigen Auswirkungen der damit einhergehenden Defizite auf dem Bildungsniveau können nur erahnt werden.
Neben diesen rein bildungspolitischen Konsequenzen sind die sozialen Folgen für alle Kinder, die vom schulischen Lockdown betroffen sind, nicht zu missachten. Es sei davon auszugehen, dass zahlreiche Schülerinnen und Schüler sowohl emotional als auch sozial abgehängt werden. Es sei zudem zu befürchten, dass sie mehr als nur ein Schuljahr an Entwicklung verlieren. [5]
Einmal mehr zeigt somit auch diese Krise, dass die - global gesehen und im weitesten Sinne wirtschaftlich verstanden - „Schwächeren“ am meisten zu leiden haben.
Diese Krise unterscheidet sich jedoch auch von anderen, denn kurioserweise sind die Auswirkungen nicht als unmittelbare (naturgemäße) Folgen zu sehen, sondern als mittelbare (menschengemachte) Folgen der Folgen zu bewerten.
Der Konflikt zwischen der Nationalregierung in Addis Abeba und der regionalen Regierung von Tigray, dem nördlichsten Bundesland Äthiopiens, spitzt sich weiter zu. Die für Ende August geplanten nationalen Wahlen wurden von der äthiopischen Regierung aufgrund von Corona bis spätestens Oktober 2021 verschoben. Tigray hat sich daran nicht gehalten und die Wahlen am 9. September abgehalten. Klarer Sieger der Wahl war die regierende TPLF (Tigray People’s Liberation Front), welche vor der Wahl Abiy Ahmeds zum Premierminister vor zwei Jahren landesweit die politische Richtung vorgab. Nach dem Wahlsieg kündigte die TPLF an, mit Ablauf der bisherigen Legislaturperiode am 5. Oktober keine durch das Parlament entschiedenen Bundesgesetze mehr anzuerkennen. In der Folge hat das äthiopische Parlament („House of Federation“) alle politischen Beziehungen mit der regionalen Tigray-Regierung abgebrochen. Anfang November beschuldigte Abiy regierungsnahe Tigray-Milizen eine Militärbasis der Zentralregierung geplündert zu haben. Als Reaktion darauf schickte Abiy die äthiopische Armee nach Tigray; mittlerweile werden auch Luftangriffe geflogen. Es gab mehrere Tote, doch aufgrund der fehlenden Telefon- und Internetverbindung sind genaue Angaben zu Opfern nicht verfügbar. Die Vereinten Nationen warnen mittlerweile vor einem drohenden Bürgerkrieg. Sudan hat über 6.000 Soldaten an die Grenze zu Äthiopien geschickt und diese geschlossen, um die Einreise von bewaffneten Gruppen zu verhindern. Die ersten äthiopischen Flüchtlinge kamen bereits im Sudan an. [7,8]
Wem gehört der Nil? An dieser Frage entbrennt sich derzeit ein gefährlicher Konflikt zwischen Ägypten, Äthiopien und dem Sudan.
Äthiopien baut eine gigantische Talsperre, den „Grand Ethiopian Renaissance Dam“; das wohl größte Wasserkraftwerk in Afrika: 1870 Meter lang und 145 Meter hoch, Kosten etwa fünf Milliarden Dollar.
Dieser Bau führt zu erheblichen Spannungen, weil die 100-Millionen Einwohner*innen aus Ägypten 95 Prozent ihres Frischwassers aus dem Nil beziehen. Die Angst ist groß, dass es zu einer Wasserknappheit kommt, wenn Äthiopien den Damm befüllt. Das Dammprojekt entwickelt sich zu einer Überlebensfrage für Ägypten. Auch der Sudan ist abhängig vom Frischwasser aus dem Nil.
Im Kern geht es um die Frage, in welchem Zeitraum der Damm gefüllt werden soll und das bestimmt wiederum die Wassermenge, welche dann in Ägypten und dem Sudan ankommt. Hier scheiden sich die Geister: Äthiopien möchte den Damm in einem kurzen Zeitraum (5-7 Jahre) befüllen lassen, sodass der Strom effizienter und schneller produziert werden kann. Ägypten und der Sudan hingegen möchten einen längeren Zeitraum und damit eine höhere Wassermenge, die in Ägypten und dem Sudan ankommt.
Die Krise droht zu eskalieren: Die Afrikanische Union und der UN-Sicherheitsrat versuchen zu einer friedlichen Lösung beizutragen; mittlerweile hat sich auch Donald Trump eingeschaltet. Er plädiert dafür, dass die Ägypter bei keiner Einigung den Damm „sprengen sollen“. Er erklärte zudem, die US-Regierung habe Äthiopien nun Hilfsgelder gestrichen. [10]